Österreichische Gesellschaft für Mann und Gesundheit wurde im Februar 2013 gegründet.
Bis in die 1980-er Jahre galt in der medizinischen Forschung der androzentrische naturwissenschaftliche Wissenschaftsbegriff, das hieß, der Mann war die Norm, von der Zellkultur über den Tierversuch bis zum Menschen.
In klinischen Studien wurden ausschließlich Männer als Versuchspersonen herangezogen, die Frau wurde als Normvariante oder als „kleiner“ Mann angesehen, und die für den Mann errechneten Werte für die Dosierung der Medikamente wurden für die Frau dem Körpergewicht entsprechend reduziert. Eine Vorgangsweise, die sich mit der Einführung der antiviralen HIV-Therapie bitter rächte. Trotz Dosisreduzierung kam es zu massiven Nebenwirkungen wie Leber- und Nierenversagen oder Veränderungen im hämatopoetischen System. Die Frauenbewegung übte schon in den 1970-er Jahren Kritik an der Medikalisierung der Frau und forderte die Selbstbestimmung der Frau auch hinsichtlich der medizinischen Angebote. Damit gab sie Anstoß zur Entwicklung der Frauengesundheitforschung und der Entstehung der geschlechtsspezifischen Medizin. Aber wo blieb die Männergesundheitsforschung? Trotz androzentrischer Medizin spielte sie eine untergeordnete Rolle, man spricht sogar in Zusammenhang mit der Männergesundheit von Androtropie. Als Androtropie bezeichnet man die Eigenschaft verschiedener Krankheiten, bevorzugt Männer zu betreffen oder besonders bei Männern zum Tode zu führen. Trotz medizinischer Entwicklung sterben Männer statistisch gesehen noch immer fünf bis sieben Jahre früher als die Frau und sind führend bei fast allen der 16 Haupttodesursachen. Lediglich bei den Herzkrankheiten haben Frauen in den letzten 15 Jahren aufgeholt, das Verhältnis liegt dort bei 1:1.14 Mann zu Frau (siehe Tabelle 1).
Bereits 1998 machte Prof. Eikenberg von der Urologischen Klinik des Franziskus Hospital in Bielefeld die Androtropie zum Thema eines eigenen Symposiums und fasste die Ergebnisse in einem Artikel, erschienen in „blickpunkt der mann – Wissenschaftliches Journal für Männergesundheit“ (Krause&Pachernegg-Verlag, 1/2003), zusammen.
Obwohl Österreich in der Männergesundheit Pionierarbeit leistete (1999 erschien der 1. Wiener und 2004 der 1. Österreichische Männergesundheitsbericht), wurde es in den letzten Jahren etwas stiller. Im Herbst 2011 wurde der 2. Österreichische Männerbericht dem Nationalrat vorgelegt und im März 2012 vom Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Kenntnis genommen. Die Daten des 1. Deutschen Männergesundheitsbericht (erschienen 2010, erstellt von der Stiftung Männergesundheit und der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit) zeigen jedoch, dass sich seit der Befunderstellung über die Gesundheit des Mannes von Eickenberg nur wenig verändert hat:
1) Prof.in Dr.in Doris Bordele, Gesundheitswissenschaftlerin, Uni Bielefeld, berichtet über die Gesundheit und gesundheitliche Versorgung von Männern folgendes: Zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage von Männern muss die vorzeitige Sterblichkeit von Männern an Lungenkrebs, Hypertonie, ischämischen Herzerkrankungen und zerebrovaskulären Erkrankungen gesenkt werden. Außerdem gilt es das Gesundheitsverhalten der Männer, z.B. im Hinblick auf die Vorsorgeuntersuchung zu beeinflussen. Männer, und nicht nur Frauen, muss ein spezieller Zugang zur Gesundheitsförderung ermöglicht werden.
2) Zur Jungengesundheit, das sind die 14- bis 18-jährigen, hielten Gunter Neubauer und Dr. Reinhard Winter vom Sozialwissenschaftliches Institut in Tübingen (www.sowit.de) fest, dass sich die gesundheitliche Lage von Jungen in einem eigenen Bereich (etwa Unfälle, psychische Gesundheit, Hodenkrebs) als bedenklich zeigt. In diesem Sinn wäre ein Jungengesundheitskurs durch Förderung von Forschung, Evaluation und Jungen-spezifische Prävention anzustreben (siehe Grafik).
3) Zum alternden Mann erklärten PD Dr. Kurt Seikowski und Prof. Dr. Uwe Paasch, Bereich Andrologie, Klinik f. Dermatologie, Uni Leipzig, dass es das Ziel der Männergesundheitsprävention ist, ein zeitgemäßes Männerbild zu entwickeln. Dabei geht es um vielfältige Fragestellungen hinsichtlich der Gesundheitsrisiken des alternden Mannes: Stress, Arbeit, Gewalterfahrungen, Ernährung, Rauchen, Alkohol, männerspezifisches Burn-out, aber auch um die Herausstellung positiver Aspekte des Älterwerdens. Funktionierende Partnerschaften, Männerfreundschaften und Themen wie „Weisheit“ spielen dabei eine Rolle. Die Zukunft wird zeigen, ob den „beratungsresistenten Gesundheitsidioten“ noch zu helfen ist.
Der deutsche Männergesundheitsbericht war nun Anlass, denn Österreichs Männer unterscheiden sich ja nur wenig von den deutschen, auch in Österreich eine Gesellschaft für Mann und Gesundheit zu gründen und im Februar 2013 wurde der vereinspolizeiliche Akt abgeschlossen.
Dichte Informationen liefern, ein Netzwerk der Kommunikation aufbauen und Männergesundheit zu einem zentralen Gesprächsthema in der Öffentlichkeitsarbeit machen – das sind die Ziele der Österreichischen Gesellschaft für Mann und Gesundheit (ÖGMuG) (Tabl. 2). Zu oft vernachlässigen Männer ihre Gesundheit und missachten die Warnsignale ihres Körpers. Der Arztbesuch steht bei vielen noch ganz unten auf der Agenda, besonders wenn es sich um die Vorsorgeuntersuchung handelt. „Frauen leben in ihrem Körper – Männer benutzen ihn, um etwas zu erreichen!“ Diese Aussage von Prof. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, trifft auch auf Österreichs Männer zu. Da Männer leben, als hätten sie eine Ersatzgesundheit im Kofferraum (vgl. Ersatzreifen im Auto), ist es ein wichtiges Ziel der ÖGMuG, hier Aufklärungsarbeit zu leisten, um die medizinische Versorgungssituation von Männern zu verbessern. Die ÖGMuG sieht sich als fächerübergreifende Organisation von Menschen, die mit Männern und ihrer Gesundheit zu tun haben. Sie will daher nicht nur Ärzte, sondern auch Psychologen, Sozialarbeiter, Mediatoren, Managementtrainer und Juristen (die Liste ist sicher nicht vollständig!) ansprechen und zur Mitarbeit einladen. Neben der fachspezifisch-medizinischen Seite (z.B. Kongresse, männergesundheitsspezifische Fortbildung für Ärzte) will sich die ÖGMuG aber auch direkt an den Mann wenden (Homepage: www.mann-und-gesundheit.at , Gesundheitstage, …).
(Den Orginalartikel im PDF-Format finden Sie am Ende der Seite zum Herunterladen.)
Dr. Michael Eisenmenger
Präsident der Österreichische Gesellschaft für Mann und Gesundheit
2460 Bruck an der Leitha
Tabl. 1 Todesursachen
Tabl. 2 Ziele der Österreichischen Gesellschaft für Mann und Gesundheit
Graphik: Suizidrate Österreich 2011